OLG zu Missbrauch von Abmahnungen
Wettbewerbsrecht | Das Oberlandesgericht Frankfurt hat mit einem Urteil (Az.: 6 U 210/19) entschieden, dass der Ausspruch von über 240 Abmahnungen in einem Jahr, die sich auf Verstöße ohne unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zum Abmahnenden beziehen, für ein missbräuchliches Vorgehen spreche. Aufgrund dessen stünden dem Abmahnenden keine Erstattungsansprüche für die durch die Abmahnungen entstandenen Rechtsanwaltskosten zu.
In dem konkreten Fall war Klägerin eine im Jahr 2017 gegründete und in Hamburg ansässige GmbH. Der Beklagte ist Betreiber eines Reisebüros und bietet Reisebürodienstleistungen über seine Webseite an. Die Webseite enthielt keinen Hinweis und keinen klickbaren Link zur sog. OS-Plattform. Dabei handelt es sich um eine europäische Streitschlichtungs-Plattform, deren Verlinkung für alle Online-Händler Pflicht ist. Daraufhin mahnte die Klägerin den Beklagten erfolglos ab. Das Landgericht wies die Ansprüche auf Unterlassen des wettbewerbswidrigen Verhaltens und auf Ersatz entstandener Rechtsanwaltskosten ab. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin vor dem Oberlandesgericht Frankfurt hatte ebenfalls keinen Erfolg.
Das OLG sah die Klage bereits als unzulässig an, da die Rechtsverfolgung rechtsmissbräuchlich sei. Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassen unzulässiger geschäftlicher Handlungen könnten nicht geltend gemacht werden, wenn dies vorwiegend dazu diene, gegen den Zuwiderhandelnden Ersatzansprüche für die Rechtsverfolgungskosten entstehen zu lassen. So liege ein Missbrauch dann vor, wenn das beherrschende Motiv für die Abmahnungen sachfremde und für sich nicht schutzwürdige Interessen seien. Ein Indiz dafür sei insbesondere, dass die Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zur gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden stehe.
Nach Ansicht des Gerichts spreche im vorliegenden Fall insbesondere die hohe Zahl von über 240 Abmahnungen innerhalb eines Jahres, die sich zudem fast alle auf die fehlende Verlinkung der OS-Plattform bezogen, für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten. Das OLG kam daher zu dem Schluss, dass es der Klägerin in erster Linie darum ging, sich durch die Abmahntätigkeit in Zusammenwirken mit ihrem Rechtsanwalt eine Einnahmequelle zu erschließen.
Informationsquelle: Pressestelle des Oberlandesgerichts Frankfurt, Pressemitteilung Nr. 79/2020 vom 13.11.2020