Handelsrecht | Der Automobilhersteller BMW kann für das Jahr 2021 mit 12,5 Milliarden Euro, und damit mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr, einen Rekordgewinn verzeichnen und verdankt dies insbesondere dem Premiumsegment.
Das Rekordergebnis führt auch dazu, dass die Dividende für die Aktionäre erhöht wird, sodass der Konzern für Vorzugsaktien 5,80 € zahlt. Von dieser Dividendenerhöhung profitieren insbesondere die Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt, die etwa 48 Prozent der BMW-Anteile halten. Insgesamt schüttet BMW 3,8 Milliarden Euro an seine Aktionäre aus. BMW-Chef Oliver Zipse erklärte, dass das gute Ergebnis das Resultat einer konsequenten Strategie sei. So wurden die verfügbaren Halbleiter in Elektroautos sowie hochpreisige SUVs und Limousinen verbaut, mit denen der Automobilkonzern hohe Deckungsbeiträge erzielen konnte. Darüber hinaus konnte BMW einen Umsatz von insgesamt 111,2 Milliarden Euro erzielen, was nicht zuletzt auch an einer Reduzierung der Kosten durch den Abbau von 1800 Vollzeitstellen sowie die Umstellung der Altersvorsoge hin zu Kapitalmarktfonds liegt.
Die starke Bilanz des Autoherstellers zeichnete sich aufgrund der Erholung der Automärkte nach der Coronakrise ab. Im Vergleich zu den Konkurrenten profitierte BMW insbesondere auch davon, dass die Produktionsbänder deutlich seltener still standen und durch die Einführung des SUVs X7 sowie der 8er-Reihe vor allem im Luxussegment hohe Verkaufszahlen erzielt werden konnten. Auch in Zukunft will der Konzern seinen Fokus auf die Premiumklassen und Elektroautos legen. So sind bis zum Jahr 2025 ein Dutzend Stromautos geplant. Zudem weitet das Unternehmen auch seine Geschäfte in China aus und hat am 11. Februar seinen Anteil an dem Produktions-Joint-Venture mit Brilliance von 50 auf 75 Prozent erhöht. Dadurch ist BMW der erste ausländische Autokonzern, der eine Mehrheit an einem Unternehmen in China übernehmen durfte. Mittelfristig wird der China-Anteil auch durch den Ausbau der Forschungs- und Entwicklungskapazitäten sowie neue Produktionsstätten steigen, sodass BMW einer positiven Zukunft entgegenblicken kann.
Informationsquelle: Handelsblatt.com vom 10.03.2022
Vertragsrecht | Das Oberlandesgericht Braunschweig hat mit einem Urteil (Az.: 7 U 566/20) entschieden, dass dem Leasingnehmer bei Rückabwicklung eines Leasingvertrages über ein Auto grundsätzlich ein Anspruch auf Rückzahlung der bereits geleisteten Leasingraten zusteht, wohingegen der Leasinggeber eine Nutzungsentschädigung für die zwischenzeitlich gefahrenen Kilometer verlangen kann.
Im konkreten Fall klagte ein Unternehmen als Leasingnehmerin aufgrund eines Mangels des Leasingfahrzeugs auf Rückabwicklung des Leasingvertrages und forderte Rückzahlung der geleitsteten Leasingraten. Die Beklagte rechnetet ihrerseits mit einer Nutzungsentschädigung auf und beanspruchte in diesem Zusammenhang 0,67 % des Neupreises pro gefahrenen 1.000 km. Dieser Pauschale lag eine Gesamtlaufleistungserwartung von 150.000 km zu Grunde. Den Prozentfaktor hatte das vermittelnde Autohaus in ein Formular eingetragen, das die Beklagte zur Verfügung gestellt und der Geschäftsführer der Klägerin bei Rückgabe des Fahrzeugs unterschrieben hatte. Unter der Angabe „Prozentfaktor 0,67 %“ befand sich in dem Formular ein weiteres Feld „Nutzungsentschädigung“, das das Autohaus nicht ausgefüllt hatte. Die Beklagte war der Ansicht, dass der Prozentfaktor durch die Unterschrift des Geschäftsführers der Klägerin verbindlich festgelegt wurde.
Das OLG Braunschweig entschied jedoch, dass dieser Abrede keine Geltung zukomme. Bei der unterzeichneten Erklärung handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, sodass die Regelungen inhaltlichen Beschränkungen unterliegen und klar und verständlich formuliert sein müssen. Nach Auffassung des OLG habe die Beklagte gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen, indem nur das Feld „Prozentfaktor“ und nicht das Feld „Nutzungsentschädigung“ ausgefüllt wurde. Durch diese Formulierung werde nicht deutlich, dass sie Grundlage für die Berechnung der Nutzungsentschädigung sei. Stattdessen nahm das Gericht die Anrechnung der Nutzungsentschädigung nach der „linearen Berechnungsmethode“ vor, bei der der Kaufpreis des Fahrzeugs zu der voraussichtlichen Restlaufleistung ins Verhältnis gesetzt und mit der tatsächlichen Fahrleistung multipliziert wird. Unter Berücksichtigung des statistischen Mittelwerts für das betreffende Fahrzeug nahm das Gericht eine Gesamtlaufleistung von 300.000 km an, was zu einer deutlichen Reduzierung der geforderten Nutzungsentschädigung führte.
Informationsquelle: Pressestelle des Oberlandesgerichts Braunschweig, Pressemitteilung vom 08.03.2022
Handelsrecht | Das Bundeskartellamt hat die Übernahme weiterer 58 Standorte der Supermarktkette real durch die real Beteiligungs- und Service GmbH mit Sitz in Frankfurt am Main von der SCP Retail Operations S.á.r.l. mit Sitz in Luxemburg fusionskontrollrechtlich freigegeben.
Die Übernahme erfolgt mittels eines „Management-Buy-outs“ unter Beteiligung des Finanzinvestors Dr. Tischendorf. Dabei sollen die 58 Filialen mit etwa 5.000 Mitarbeitern von einem Team von real-Managern zusammen mit der Unternehmensfamilie Tischendorf unter der Marke „real“ weitergeführt werden. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, zeigte sich erleichtert, dass der Bestand weiterer real-Standorte gesichert sei und sieht in der Übernahme sowohl eine Chance für den Wettbewerb als auch für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Die jetzige Freigabe betrifft ausschließlich die fusionskontrollrechtliche Seite der Übernahme, eine kartellrechtliche Prüfung steht noch aus.
Der Investor SCP hatte die ehemals 276 real-Standorte von der Metro erworben und in den letzten beiden Jahren insbesondere an Kaufland, Edeka und Globus weiterveräußert. Das Bundeskartellamt hatte beim Erwerb durch Edeka und Kaufland umfangeiche Ermittlungen zur Absatz- und Beschaffungsseite durchgeführt. Dabei wurden mehrere wettbewerbsrechtliche Bedenken in verschiedenen regionalen Absatzmärkten festgestellt, sodass nur ein Teil der Standorte übernommen werden konnte. Bezüglich der Beschaffungsseite, die das Verhältnis des Lebensmitteleinzelhandels zu seinen Lieferanten betrifft, hat das Bundeskartellamt die Übernahme der Standorte von der Auflage abhängig gemacht, dass Standorte mit einem Beschaffungsvolumen von 200 Millionen Euro an mittelständische Lebensmitteleinzelhändler veräußert werden. Keinerlei wettbewerbsrechtliche Probleme gab es bei einem Erwerb eines Standortpakets durch Globus. Auch die Übernahme wettbewerbsrechtlich unkritischer real-Standorte durch Kaufland und Edeka konnten im vergangene Jahr innerhalb der Monatsfrist freigegeben werden.
Informationsquelle: Pressestelle des Bundeskartellamts, Pressemitteilung vom 02.03.2022
Vertragsrecht | Nachdem die Lufthansa im vergangenen Jahr wieder einen Milliardenverlust zu verzeichnen hatte, hofft die Airline in diesem Jahr auf bessere Zeiten, auch wenn die Folgen des Ukraine-Kriegs noch nicht abzusehen sind.
Die Corona-Krise hat Lufthansa wie alle Unternehmen in der Flugbranche hart getroffen. Auch wenn das Management noch keine Gewinnprognose abgeben möchte, geht der Vorstandschef Carsten Spohr davon aus, dass der Luftverkehr in diesem Jahr einen starken Aufschwung erleben werde. So hätten nach einem schwachen ersten Quartal die Buchungen für Oster- und Sommerurlaube fast das Vorkrisenniveau von 2019 erreicht. Die Lufthansa-Gruppe, zu der unter anderem auch die Airlines Eurowings, Swiss, Austrian und Brussels Airlines gehören, strebt an, bei den Passagierflügen in diesem Jahr 70 Prozent der Vorkrisenkapazität nach nur 40 Prozent im vergangenen Jahr anzubieten. Während im ersten Corona-Jahr noch ein Verlust von 5,5 Milliarden Euro zu verzeichnen war, lag dieser im Jahr 2021 bei 2,3 Milliarden Euro. Während die Netzwerk-Airlines einen hohen operativen Verlust erzielten, konnte die Frachtsparte mit Lufthansa-Cargo einen Rekordgewinn von 1,5 Milliarden Euro erzielen. Auch Lufthansa Technik und das Catering konnten einen Gewinn verbuchen.
Die Airline konnte nur durch hohe Staatshilfen vor dem Aus gerettet werden und musste sich insgesamt von 30.000 Beschäftigten trennen, ohne dass es in Deutschland zu betriebsbedingten Kündigungen gekommen ist. Damit hatte der Konzern Ende 2021 weltweit noch 105.000 Arbeitnehmer. Insgesamt konnten die Personalkosten strukturell um zehn Prozent gesenkt werden und sollen bis zum Jahr 2020 etwa 15 bis 20 Prozent unter dem Vorkrisenniveau liegen. Nach Aussage des Vorstandschefs sei die Lufthansa Group heute effizienter und nachhaltiger als vor der Corona-Krise und möchte auch in Zukunft zu den fünf größten Airlines auf der Welt zählen.
Informationsquelle: Wirtschaftswoche.de vom 03.03.2022
Arbeitsrecht |Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit einem Urteil (Az.: 6 Sa 903/21) entschieden, dass die Stadt Iserlohn keinen Anspruch auf Rückzahlung einer Abfindung in Höhe von etwa 265.000 € hat, die sie einem Verwaltungsangestellten zunächst in einem Aufhebungsvertrag zugesagt und später auch gezahlt hatte.
In dem konkreten Fall war der beklagte Verwaltungsangestellte seit Januar 2008 bei der Stadt Iserlohn angestellt und bezog ein monatliches Tarifentgelt von rund 3.700 €. Nachdem es zu Differenzen mit Vorgesetzten wegen der Einführung eines neuen Schichtmodells gekommen war, bot die Stadt dem Beklagten die Aufhebung des Arbeitsvertrages bei siebenmonatiger bezahlter Freistellung sowie eine Abfindung in Höhe von 250.000 € zuzüglich Steigerungsbeträgen bei vorzeitiger Beendigung an. Das Arbeitsverhältnis wurde am 30. April 2019 aufgehoben und die Stadt zahlte eine Abfindung über 264.800 € brutto. In der Folge kam es zur Einleitung eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens, der Anordnung eines Vermögensarrests gegen den Beklagten sowie zum Einschreiten der Kommunalaufsicht. Gegen den früheren Bürgermeister der Stadt Iserlohn, den damaligen Bereichsleiter Personal und gegen den beklagten Arbeitnehmer ist mittlerweile Anklage wegen des Verdachts der Untreue erhoben worden.
Das Arbeitsgericht Iserlohn gab der Klage der Stadt auf Rückzahlung der Abfindung zunächst statt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Aufhebungsvertrag gemäß § 74 Abs. 3 Landespersonalvertretungsgesetz unwirksam sei. So habe die Stadt den Personalrat nicht ausreichend über die Inhalte des Arbeitsvertrages, insbesondere die Höhe der Abfindung informiert, was zur Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages und zum Wegfall des Rechtsgrundes für die geleisteten Zahlungen führe. Das Landesarbeitsgericht Hamm folgte dieser Argumentation nicht. Die mangelhafte Beteiligung des Personalrates sei auf ein Versäumnis der Stadt zurückzuführen, sodass sie sich auf eine daraus folgende Unwirksamkeit des Aufhebungsvertrages nicht berufen könne. Auch sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte bei Abschluss des Vertrages gegen Strafgesetze oder die guten Sitten verstoßen habe, sodass er das ihm vorteilhaft erscheinende Angebot annehmen durfte.
Informationsquelle: Pressestelle des Landesarbeitsgerichts Hamm, Pressemitteilung vom 15.02.2022
Handelsrecht |Der Kölner Lebensmittelhändler Rewe will sein Auslandsgeschäft kräftig ausbauen. Dafür sollen bis zum Jahr 2025 rund fünf Milliarden Euro und damit mehr Geld als in den Jahren zuvor in Expansionsmaßnahmen investiert werden.
Bislang betreibt der Konzern im Ausland etwa 4500 Geschäfte. Nach Angaben des für das Auslandgeschäft zuständigen stellvertretenden Vorsitzenden der Rewe-Gruppe, Jan Kunath, soll das Geld zwischen den Jahren 2022 bis 2025 vor allem in die Modernisierung und den Ausbau der Märkte, Logistik und IT-Infrastruktur fließen. Derzeit betreibt Rewe in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Italien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn, Kroatien und Litauen vor allem Billa-Supermärkte und die Discount-Kette Penny. Zentrale für das Auslandsgeschäft ist Wien. Durch die Expansion soll die Zahl der Geschäfte auf 5000 steigen. Zudem soll es zu einem Anstieg des Bruttoumsatzes im Ausland von derzeit 18,75 Milliarden Euro auf rund 20 Milliarden Euro kommen.
Nach Unternehmensangaben sei das Hauptziel, die eigene Marktposition in denjenigen Ländern, in denen Rewe heute schon aktiv ist, mittels gezielter Investitionen und kleinerer Akquisitionen zu sichern und auszubauen. Eine Expansion in andere Länder wird dagegen zumindest aktuell ausgeschlossen. Allerdings werde man auch Möglichkeiten genau prüfen, bei denen durch eine Übernahme eine attraktive Marktposition in einem zentraleuropäischen Land erlangt werden kann.
Informationsquelle: Handelsblatt.com vom 17.02.2022
Wettbewerbsrecht | Das Bundeskartellamt hat Geldbußen von insgesamt 7,3 Millionen Euro gegen die Maurer SE aus München und die Mageba GmbH, zwei Hersteller von mehrprofiligen Brückendehnfugen (Übergangskonstruktion für Straßenbrücken), wegen eines verbotenen Quotenkartells verhängt.
Bei Brückendehnfugen handelt es sich um Bauelemente, die dafür sorgen, dass die aufgrund von Temperaturschwankungen erfolgenden Lageänderungen von Brücken ausgeglichen werden, indem sie sich auseinanderziehen oder zusammenschieben. Die zwischen den Unternehmen getroffene Absprache betraf sowohl Brückenneubauten als auch Brückensanierungen. Das mit einem hohen Organisationsgrad versehene Kartell deckte nahezu das gesamte bundesweite Marktvolumen für die Lieferung mehrprofiliger Übergangskonstruktionen ab. Die Ermittlungen des Bundeskartellamts ergaben, dass sich Verantwortliche der betroffenen Unternehmen im Jahr 2004 trafen und verabredeten, dass die seinerzeit bestehenden Marktanteile beibehalten werden und der Maurer SE sowie der Mageba GmbH zukünftig als Quote zustehen sollen.
Die Umsetzung dieses Vorhabens und Einhaltung der Quoten erfolgte auf Treffen sowie in Telefonaten zwischen verschiedenen Vertriebsmitarbeitern. Zudem wurden auf sogenannten „Jahresabschlusstreffen“ bei wesentlichen Quotenabweichungen ein Quotenausgleich vorgenommen. Dazu wurden konkrete, aber noch nicht vergebene Aufträge, dem jeweiligen Unternehmen als Ausgleichsprojekte zugeteilt. Darüber hinaus vereinbarten die Verantwortlichen, dass für die Kalkulation der Preise eine Preisformel verwendet werden soll. Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, kritisierte, dass die zwei einzigen Hersteller für mehrprofilige Brückendehnfugen über mehrere Jahre hinweg ein Quotenkartell gebildet habe und damit einen wichtigen Bereich der öffentlichen Infrastruktur sowie letztlich Investitionen von Bund, Ländern sowie Gemeinden betroffen habe. Bei der Bußgeldfestsetzung wurde allerdings berücksichtigt, dass die beiden Unternehmen bei der Aufklärung umfassend kooperierten und das Verfahren im Wege der einvernehmlichen Verfahrensbeendigung abgeschlossen werden konnte.
Informationsquelle: Pressestelle des Bundeskartellamts, Pressemitteilung vom 10.02.2022
Vertragsrecht | Das Landgericht Coburg hat in einem Urteil (Az.: 11 O 92/20) den Umfang der Offenbarungspflicht bei einem Immobilienverkauf bestimmt und eine Klage auf Rückabwicklung eines Immobilienkaufvertrages abgewiesen.
In dem konkreten Fall kaufte die Klägerin im Jahr 2018 von der Beklagten ein Wohnanwesen. Im Jahr 1998 fand in dem Haus ein Doppelmord an einer Frau und ihrem kleinen Kind statt. Die beklagte Verkäuferin wusste bei Erwerb des Anwesens im Jahr 2004 selbst nichts von dem Verbrechen erfuhr, erklärte sie die Anfechtung des Kaufvertrages wegen arglistiger Täuschung und forderte die Rückabwicklung des Vertrages. Nach Ansicht der Klägerin habe die Beklagte ohne ausdrückliche Nachfrage auf den Doppelmord hinweisen müssen. Das Haus sei in seinem Wert gemindert und nur schwer veräußerbar, sodass eine arglistige Täuschung vorliege.
Das LG Coburg wies die Klage jedoch ab, da die Voraussetzungen einer arglistigen Täuschung nicht vorlägen. Zum einen habe keine Hinweispflicht der Beklagten bestanden. Eine solch ungefragte Aufklärungspflicht bestehe nur dann, wenn der Vertragspartner redlicherweise einen entsprechenden Hinweis erwarten darf. Zwar könne beim Verkauf eines Hauses durchaus die Pflicht bestehen, auf ein dort verübtes Verbrechen hinzuweisen, doch sei diese Pflicht nicht zeitlich unbegrenzt, da die Bedeutung des Ereignisses für die Kaufentscheidung mit zunehmender Dauer abnehme. Hier lagen zwischen dem Verbrechen und dem Verkauf des Hauses mehr als 20 Jahre. Darüber hinaus habe die Klägerin der Beklagten kein arglistiges Verhalten nachweisen können. Diese erfuhr selbst erst nach dem Kauf der Immobilie von den Morden und lebte noch mehr als 10 Jahre in dem Anwesen, was ihr nach eigenen Angaben nichts ausmachte. Demnach spielte der Doppelmord für die Beklagte beim Verkauf des Anwesens keine entscheidende Rolle, sodass sie gerade nicht davon ausgegangen war, dass die Klägerin die Immobilie in Kenntnis des Verbrechens nicht ebenso erworben hätte, was jedoch Voraussetzung für ein arglistiges Verhalten gewesen wäre.
Informationsquelle: Pressestelle des Landgerichts Coburg, Pressemitteilung Nr. 3 vom 11.02.2022
Gesellschaftsrecht | Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat in einem Urteil (Az.: 10 U 17/20) entschieden, dass Facebook einen Nutzeraccount nur in Ausnahmefällen ohne vorherige Abmahnung kündigen darf.
In dem konkreten Fall hatte Facebook im Jahr 2019 in mehreren Fällen Beiträge des Klägers mit Bezug zur sogenannten „Identitären Bewegung“ gelöscht und das Nutzerkonto vorübergehend gesperrt. Nach einem weiteren Beitrag des Klägers im Januar 2020 wurde sein Account dauerhaft gesperrt. Facebook berief sich dabei auf Verstöße des Klägers gegen die Nutzungsbedingungen in Verbindung mit den „Gemeinschaftsstandards“, die die Unterstützung von „Hassorganisationen“ verbieten. Während der Kläger in erster Instanz unterlag, gab das OLG Karlsruhe in der Berufung seiner Klage auf Unterlassung der Löschungen und vorübergehenden Kontosperrungen sowie auf eine Reaktivierung seines Nutzerkontos überwiegend statt. So stellte das Gericht hinsichtlich der Löschung von Beiträgen und der vorübergehenden Sperrung des Accounts fest, dass diese Maßnahmen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook unzulässig waren.
Zwar sei es Anbietern sozialer Netzwerke möglich, die Nutzer in AGB zur Einhaltung objektiver und überprüfbarer Kommunikationsstandards anzuhalten sowie Beiträge zu löschen und den Netzwerkzugang zu sperren. Allerdings muss in den Geschäftsbedingungen ebenfalls sichergestellt sein, dass der Nutzer über die Entfernung des Beitrags unverzüglich nachträglich und über eine Sperrung des Nutzerkontos vorab informiert und ihm ein Grund dafür mitgeteilt wird. Insbesondere muss der Nutzer die Möglichkeit zur Stellungnahme haben. Da die AGB von Facebook diesen Anforderungen nicht genügen, hält das OLG Karlsruhe die darin enthaltenen Entfernungs- und Sperrungsvorbehalte für unwirksam. Nur bei Veröffentlichung strafbarer Inhalte sei eine Löschung von Beiträgen und eine Sperrung des Kontos möglich. Weiterhin hielt das Gericht auch die Kündigung des Nutzervertrags durch das soziale Netzwerk für unwirksam, da es an einer vorherigen Abmahnung fehlte. Eine solche sei nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, etwa bei besonders schwerwiegenden Vertragsverletzungen oder offensichtlicher Zwecklosigkeit einer Abmahnung, entbehrlich. Derartige Anhaltspunkte lagen aber im konkreten Fall nicht vor.
Informationsquelle: Pressestelle des Oberlandesgerichts Karlsruhe, Pressemitteilung Nr. 3/22 vom 04.02.2022
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