Vertragsrecht | Pressemitteilung Bundesgerichtshof – Verhandlungstermin: 10. Dezember 2014
VIII ZR 90/14
LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17. Januar 2013 – 7 O 6876/12
OLG Nürnberg, Urteil vom 26. Februar 2014 – 12 U 336/13
Der Beklagte bot am 17. Mai 2012 ein Stromaggregat zu einem Startpreis von 1 € an. Am 19. Mai 2012 brach der Beklagte die Auktion vorzeitig ab. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt zu dem Startgebot von 1 € Höchstbietender und begehrt – nachdem der Beklagte das Stromaggregat anderweitig veräußert hat – nunmehr Schadensersatz in Höhe des Wertes des Stromaggregats (8.500 €).
Der Beklagte meint, er habe aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay die Auktion ohne weiteres abbrechen dürfen, da sie noch länger als 12 Stunden gelaufen wäre.
Die Versteigerung erfolgte auf der Grundlage der zu dieser Zeit maßgeblichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen von eBay. Dort hieß es auszugsweise:
„§ 9 Nr. 11: Anbieter, die ein verbindliches Angebot auf der eBay-Website einstellen, dürfen nur dann Gebote streichen und das Angebot zurückziehen, wenn sie gesetzlich dazu berechtigt sind. Weitere Informationen. […]
§ 10 Abs. 1 Satz 5: Bei Ablauf der Auktion oder bei vorzeitiger Beendigung des Angebots durch den Anbieter kommt zwischen Anbieter und Höchstbietendem ein Vertrag über den Erwerb des Artikels zustande, es sei denn, der Anbieter war gesetzlich dazu berechtigt, das Angebot zurückzunehmen und die vorliegende Geboten zu streichen.“
Der Link „Weitere Informationen“ in § 9 Nr. 11 führte u.a. zu folgenden Hinweisen:
„Wie beende ich mein Angebot vorzeitig?
Wenn Sie einen Artikel auf der eBay-Website einstellen, geben Sie grundsätzlich ein verbindliches Angebot zum Abschluss eines Vertrags über diesen Artikel ab und sind für die Angebotsdauer dieses Angebots gebunden. Es kann jedoch vorkommen, dass Sie ein Angebot vorzeitig beenden müssen, zum Beispiel, wenn Sie feststellen, dass Sie sich beim Einstellen des Artikels geirrt haben oder der zu verkaufende Artikel während der Angebotsdauer ohne Ihr Verschulden beschädigt wird oder verloren geht. […]
Voraussetzungen
Ob Sie ein Angebot vorzeitig beenden können, hängt davon ab, wie lange das Angebot noch läuft und ob dafür Gründe vorliegen.
Angebot läuft noch länger als 12 Stunden
Wenn das Angebot noch 12 Stunden oder länger läuft, können Sie es ohne Einschränkungen vorzeitig beenden. Wenn zum Zeitpunkt der Beendigung des Angebots Gebote für den Artikel vorliegen, werden Sie gefragt, ob Sie die Gebote streichen oder den Artikel an den Höchstbietenden verkaufen möchten. […]“
Angebot ist in weniger als 12 Stunden beendet
Wenn das Angebot noch weniger als 12 Stunden läuft, hängt die Möglichkeit, das Angebot vorzeitig beenden zu können, davon ab, ob Gebote vorliegen und ob für den Artikel ein Mindestpreis gilt.
Anzahl der Gebote für den Artikel Kann das Angebot vorzeitig beendet
werden?
Keine Gebote, auch keine gestrichenen ja, solange keine gestrichenen
Angebote vorliegen
Ein oder mehrere Gebote ja, solange keine gestrichenen
Angebote vorliegen
Ein oder mehrere Gebote, aber der nein
Mindestpreis wurde nicht erreicht
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht den Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 8.500 € verurteilt.
Zur Begründung hat das Oberlandesgericht ausgeführt, der Beklagte schulde gemäß § 280 Abs. 1, § 281 BGB* Schadensersatz in Höhe des unstreitigen Werts des Aggregats (8.500 €). Die Parteien hätten einen wirksamen Kaufvertrag über das Stromaggregat zum Preis von 1 € geschlossen. Im Rahmen einer Gesamtschau von § 10 Abs. 1 Satz 5, § 9 Nr. 11 der eBay-AGB in Verbindung mit den „Weiteren Informationen“ erweise sich, dass auch im Fall einer noch 12 Stunden oder länger dauernden Auktion ein berechtigender Grund zur vorzeitigen Beendigung des Angebots erforderlich sei. Andernfalls sei der Käufer der Willkür des Anbieters ausgesetzt. Der Beklagte berufe sich auf eine aus dem Zusammenhang gerissene Formulierung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Der Hinweis, wonach ein Angebot, das noch 12 Stunden oder länger laufe, ohne Einschränkungen vorzeitig beendet werden könne, sei missverständlich. Er regele lediglich die technische Möglichkeit (das „Können“) einer vorzeitigen Angebotsrücknahme, nicht aber deren rechtliche Zulässigkeit (das „Dürfen“). Einen berechtigenden Grund habe der Beklagte hier nicht hinreichend vorgetragen.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
* § 280 Schadensersatz wegen Pflichtverletzung
(1) Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. (…)
(3) Schadensersatz statt der Leistung kann der Gläubiger nur unter den zusätzlichen Voraussetzungen des § 281, des § 282 oder des § 283 verlangen.
§ 281 Schadensersatz statt der Leistung wegen nicht oder nicht wie geschuldet erbrachter Leistung
(1) Soweit der Schuldner die fällige Leistung nicht oder nicht wie geschuldet erbringt, kann der Gläubiger unter den Voraussetzungen des § 280 Abs. 1 Schadensersatz statt der Leistung verlangen, wenn er dem Schuldner erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung bestimmt hat. (…)
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Pressemitteilung Nr. 181/2014 vom 04.12.2014