BAG: Crowdworker als Arbeitnehmer
Arbeitsrecht | Das Bundesarbeitsgericht hat mit einem Urteil (Az.: 9 AZR 102/20) entschieden, dass die tatsächliche Durchführung von Kleinstaufträgen durch Nutzer einer Online-Plattform (sog. „Crowdworker“) aufgrund einer mit deren Betreiber geschlossenen Rahmenvereinbarung, als Arbeitsverhältnis zu bewerten sein kann.
In dem konkreten Fall kontrollierte die Beklagte im Auftrag ihrer Kunden im Einzelhandel die Präsentation von Markenprodukten. Zur Ausführung bediente sie sich sog. Crowdworker. Gestützt auf eine „Basis-Vereinbarung“ und auf Grundlage allgemeiner Geschäftsbedingungen bietet die Beklagte sog. Mikrojobs über eine Online-Plattform an. Der einzelne Nutzer kann dort mittels eines persönlichen Accounts bestimmte Aufträge annehmen, ohne dazu vertraglich verpflichtet zu sein. Bei Übernahme eines Auftrags durch den Nutzer, hat er diesen regelmäßig binnen zwei Stunden zu erledigen. Für die erledigten Aufträge erhält der Nutzer wiederum Erfahrungspunkte, wodurch auch sein Level steigt und er gleichzeitig mehrere Aufträge übernehmen kann.
In einem Zeitraum von 11 Monaten führte der Kläger knapp 3000 Aufträge für die Beklagte aus, bevor diese im Februar 2018 erklärte, ihm zur Vermeidung künftiger Unstimmigkeiten keine weiteren Aufträge mehr anzubieten. Mit seiner Klage beantragte der Kläger zunächst die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien, woraufhin die Beklagte vorsorglich am 24. Juni 2019 ein etwaig bestehendes Arbeitsverhältnis kündigte. In der Folge erweiterte der Kläger seine Klage um einen Kündigungsschutzantrag. Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab, da sie ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien verneinten. Mit seiner Revision hatte der Kläger teilweise Erfolg.
Das BAG hat entschieden, dass zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der vorsorglichen Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestand. Die Arbeitnehmereigenschaft richtet sich nach § 611a BGB und ist davon abhängig, dass der Beschäftigte weisungsgebundene, fremdbestimmte Arbeit in persönlicher Abhängigkeit ausübt. Die Bezeichnung im Vertrag ist insofern nicht entscheidend. Vielmehr kommt es auf eine Gesamtwürdigung der Umstände an. Diese ergibt für den vorliegenden Fall, dass der Auftragnehmer seine Tätigkeit nach Ort, Zeit und Inhalt nicht frei gestalten kann, da der Auftraggeber die Zusammenarbeit über die Online-Plattform steuert. Dies sei für einen Arbeitnehmer typisch. Darüber hinaus werde mit dem Bewertungssystem, das zu einem erhöhten Level und der Möglichkeit mehrerer gleichzeitiger Aufträge führt, ein Anreiz dafür geschaffen, dass der Kläger in dem Bezirk seines gewöhnlichen Aufenthalts kontinuierlich Kontrolltätigkeiten erledigt.
Informationsquelle: Pressestelle des Bundesarbeitsgerichts, Pressemitteilung Nr. 43/2020 vom 01.12.2020