Der für das Urheberrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verkündet eine Verhandlung mit unbestimmten Verhandlungstermin in folgender Sache:
I ZR 124/11 (Spielekonsole)
LG München I – Urteil vom 14. Oktober 2009 – 21 O 22196/08 MMR 2010, 341
OLG München – Urteil vom 9. Juni 2011 – 6 U 5037/09
Die Kläger produzieren und vertreiben Videospiele und Videospiel-Konsolen, darunter die Spielekonsole „Nintendo DS“ sowie zahlreiche dafür passende urheberrechtlich geschützte Spiele. Für die Konsole „Nintendo DS“ bieten die Klägerinnen über eine verbundene Firma mehrere hundert Spiele an, an denen die Klägerinnen die ausschließlichen urheberrechtlichen Nutzungsrechte haben. Die Spiele werden ausschließlich auf speziellen, nur für die Nintendo DS Konsole passenden Speichermedien angeboten, die in den Kartenschacht der Konsole eingesteckt werden. Die Karten verfügen über einen Speicher, auf dem die Spielsoftware sowie die dazugehörigen Grafik- und Audiodateien gespeichert sind. Ohne eine eingesteckte Karte können Spiele auf der Konsole nicht geladen und abgespielt werden. Die Beklagten boten im Internet Adapter für die Spielkonsole „Nintendo DS“ an. Diese Karten sind den Originalkarten in Form und Größe exakt nachgebildet, so dass sie in den Kartenschacht der Konsole passen. Sie verfügen zusätzlich über einen wiederbeschreibbaren Speicher. Nutzer der Konsole können mit Hilfe dieser Adapter im Internet angebotene Raubkopien der Spiele auf der Konsole verwenden. Dazu müssen sie die Kopien der Spiele aus dem Internet herunterladen und auf den Speicher der nachgebildeten Karte übertragen.
Die Klägerinnen sehen in dem Vertrieb der Adapter-Karten einen Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz wirksamer technischer Maßnahmen nach § 95a UrhG. Sie haben die Beklagten daher auf Unterlassung, Auskunft, Vernichtung und Schadensersatzfeststellung in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil stattgegeben. Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat angenommen, den Klägerinnen stehe gegen die Beklagten neben den Ansprüchen auf Auskunft und Schadensersatzfeststellung nach §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 95a Abs. 3 Nr. 3 UrhG der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, weil die von den Beklagten vertriebenen Adapter zur Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen hergestellt und entworfen worden seien. Das Format der Karten diene als technische Maßnahme in erster Linie dem Schutz vor einer unberechtigten Nutzung der auf den Videospielen vorhandenen urheberrechtlich geschützten Sprach-, Musik-, Lichtbild- und Filmwerke. Aus diesem Grund finde § 95a Abs. 3 UrhG Anwendung, obwohl auf den Karten auch Computerprogramme enthalten seien, denen der Schutz des § 95a UrhG nach § 69a Abs. 5 UrhG nicht zugutekomme. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag auf Abweisung der Klage weiter.
(1) Wirksame technische Maßnahmen zum Schutz eines nach diesem Gesetz geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes dürfen ohne Zustimmung des Rechtsinhabers nicht umgangen werden, soweit dem Handelnden bekannt ist oder den Umständen nach bekannt sein muss, dass die Umgehung erfolgt, um den Zugang zu einem solchen Werk oder Schutzgegenstand oder deren Nutzung zu ermöglichen.
(2) Technische Maßnahmen im Sinne dieses Gesetzes sind Technologien, Vorrichtungen und Bestandteile, die im normalen Betrieb dazu bestimmt sind, geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände betreffende Handlungen, die vom Rechtsinhaber nicht genehmigt sind, zu verhindern oder einzuschränken. Technische Maßnahmen sind wirksam, soweit durch sie die Nutzung eines geschützten Werkes oder eines anderen nach diesem Gesetz geschützten Schutzgegenstandes von dem Rechtsinhaber durch eine Zugangskontrolle, einen Schutzmechanismus wie Verschlüsselung, Verzerrung oder sonstige Umwandlung oder einen Mechanismus zur Kontrolle der Vervielfältigung, die die Erreichung des Schutzziels sicherstellen, unter Kontrolle gehalten wird.
(3) Verboten sind die Herstellung, die Einfuhr, die Verbreitung, der Verkauf, die Vermietung, die Werbung im Hinblick auf Verkauf oder Vermietung und der gewerblichen Zwecken dienende Besitz von Vorrichtungen, Erzeugnissen oder Bestandteilen sowie die Erbringung von Dienstleistungen, die
1. Gegenstand einer Verkaufsförderung, Werbung oder Vermarktung mit dem Ziel der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen sind oder
2. abgesehen von der Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Zweck oder Nutzen haben oder
3. hauptsächlich entworfen, hergestellt, angepasst oder erbracht werden, um die Umgehung wirksamer technischer Maßnahmen zu ermöglichen oder zu erleichtern.
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Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 6. Februar 2013 folgenden Tenor für die EuGH-Vorlage verkündet:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtline 2001/29/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. Nr. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10) folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Steht Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2001/29/EG der Anwendung einer Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2001/29/EG ins nationale Recht umsetzenden Vorschrift (hier § 95a Abs. 3 UrhG) entgegen, wenn die in Rede stehende technische Maßnahme zugleich nicht nur Werke oder sonstige Schutzgegenstände, sondern auch Computerprogramme schützt?
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Pressemitteilung 13/2014 vom 24.01.2014