Der für das Handelsrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs verhan-delt am 19.02.2014 in folgender Sache:
I ZR 72/08, I ZR 119/09, I ZR 120/09 und I ZR 79/10 (Apotheken-Bonus)
I ZR 72/08
LG Darmstadt – 12 O 123/06 – Urteil vom 22. Dezember 2006
OLG Frankfurt/Main – 6 U 26/07 – Urteil vom 29. November 2007,
GRUR-RR 2008, 306 = WRP 2008, 969
BSG – Urteil vom 28. Juli 2008 – B 1 KR 4/08 R, BSGE 101, 161
BGH – Beschluss vom 9. September 2010 – I ZR 72/08,
GRUR 2010, 1130 = WRP 2010, 1485 – Sparen Sie beim Medikamenteneinkauf!
Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes – Beschluss vom 22. August 2012 – GmS-OGB 1/10, BGHZ 194, 354 = GRUR 2013, 417 = WRP 2013, 621 – EU-Versandapotheken
I ZR 119/09
LG München I – Urteil vom 10. Juni 2008 – 9HK O 63/08
OLG München – Urteil vom 2. Juli 2009 – 29 U 3744/08
und
I ZR 120/09
LG München I – Urteil vom 18. Juni 2008 – 1HK O 20716/07
OLG München – Urteil vom 2. Juli 2009 – 29 U 3648/08
und
I ZR 79/10
LG Hamburg – Urteil vom 4. August 2009 – 407 O 82/09
OLG Hamburg – Urteil vom 25. März 2010 – 3 U 126/09
In den zur Verhandlung anstehenden Parallelverfahren hat der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs abschließend über die Frage zu entscheiden, ob deutsche Arzneimittelpreisvorschriften über den Apothekenabgabepreis für verschreibungspflichtige Arzneimittel gelten, die von Apotheken mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union im Wege des Versandhandels in Deutschland in den Verkehr gebracht werden.
Beklagte in den Verfahren I ZR 72/08, I ZR 119/09 und I ZR 120/09 ist eine in den Niederlanden ansässige Apotheke, die im Wege des Internet-Versandhandels Medikamente für den deutschen Markt anbietet. Streitgegenständlich ist jeweils die Gewährung eines Bonus beim Kauf verschreibungspflichtiger Medikamente oder deren Bewerbung.
In einem weiteren Parallelverfahren (I ZR 79/10), in welchem das Versandhandelsunternehmen Otto GmbH & Co. KG in Anspruch genommen wird, stellen sich die weitgehend gleichlaufenden Fragen vor dem Hintergrund, dass die Beklagte unter anderem mit einem Einleger in ihrem Katalog für die in den vorgenannten Fällen beklagte Versandhandelsapotheke warb, die ihrerseits in der dargelegten Weise Boni für die Einlösung von Rezepten versprach.
Die Kläger, Betreiber von inländischen Apotheken bzw. Apothekerverbände, haben dies wegen eines Verstoßes gegen die im Arzneimittelrecht für verschreibungspflichtige Arzneimittel geltenden Preisbindungsvorschriften beanstandet und die beklagte Versandhandelsapotheke auf Unterlassung der Ankündigung und Gewährung der Boni in Anspruch genommen bzw. von dem beklagten Versandhandelsunternehmen verlangt, es zu unterlassen, die Versandhandelsapotheke zu empfehlen. Die Berufungsgerichte haben den hierauf gerichteten Klagen jeweils stattgegeben.
Der I. Zivilsenat hat mit Beschluss vom 9. September 2010 das Ausgangsverfahren I ZR 72/08 wegen einer beabsichtigten Abweichung von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, das 2008 in anderem Zusammenhang entschieden hatte, dass das deutsche Arzneimittelpreisrecht nicht für Versandhandelsapotheken gilt, die aus dem europäischen Ausland Arzneimittel an deutsche Verbraucher schicken, ausgesetzt und die entscheidungserhebliche Frage dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes zur Entscheidung vorgelegt (vgl. Pressemitteilungen Nr. 172/2010 und Nr. 127/2012).
Mit seinem Beschluss vom 22. August 2012 hat der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Anwendbarkeit der deutschen Vorschriften für den Apothekenabgabepreis auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, die Apotheken mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union im Wege des Versandhandels nach Deutschland an Endverbraucher abgeben, bejaht. Nach der Überzeugung des Gemeinsamen Senats unterwirft das deutsche Preisrecht die im Wege des Versandhandels durch eine Versandapotheke aus dem EU-Ausland an Endverbraucher in Deutschland erfolgende Abgabe von apothekenpflichtigen Arzneimitteln der im deutschen Recht vorgesehenen Preisbindung. Danach unterscheiden die maßgebenden arzneimittelrechtlichen Vorschriften, die den einheitlichen Apothekenabgabepreis bestimmen, nicht nach der Abgabe durch eine öffentliche Apotheke im üblichen Apothekenbetrieb oder im Versand oder nach dem Sitz der Apotheke im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union. Sie sähen vielmehr nach näherer Maßgabe der Arzneimittelpreisverordnung für alle apothekenpflichtigen Arzneimittel, die nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind, einen einheitlichen Apothekenabgabepreis vor, sofern die Abgabe – gleichgültig ob in einer inländischen öffentlichen Apotheke oder im Versand durch eine im Inland oder in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ansässige Apotheke – im Inland erfolge.
Mit der von den Berufungsgerichten jeweils zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiter die Abweisung der Klage.
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Pressemitteilung 13/2014 vom 24.01.2014