Der für das Wettbewerbsrecht zuständige Zivilsenat des Bundesgerichtshofs kündigt eine Verhandlung mit unbestimmten Verhandlungstermin in folgender Sache an:
(Verkündungstermin: EuGH-Vorlage)
(Verkündungstermin: 5. Dezember 2012)
(Verkündungstermin: 20. September 2012)
(Verhandlungstermin: 12. Juli 2012)
I ZR 36/11 (So wichtig wie das tägliche Glas Milch!)
LG Stuttgart – Urteil vom 31. Mai 2010 – 34 O 19/10 KfH
OLG Stuttgart – Urteil vom 3. Februar 2011 – 2 U 61/10
Die Beklagte stellt Milcherzeugnisse her und vertreibt einen Früchtequark mit der Bezeichnung „Monsterbacke“. Auf dessen Verpackungsoberseite verwendet die Beklagte den Slogan „So wichtig wie das tägliche Glas Milch!“. Die Klägerin hält dies für irreführend im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG* in Verbindung mit Art. 9 und 10** Health-Claim-Verordnung, weil der Werbeslogan sowohl nährwert- als auch gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel enthalte, weiter erforderliche Angaben aber fehlten. Im Übrigen sei der Slogan irreführend im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG* in Verbindung mit § 11 Abs. 1 LFBG***, weil nicht auf den gegenüber Milch erheblich erhöhten Zuckergehalt hingewiesen werde. Sie hat die Beklagte auf Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten in Anspruch genommen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht (ZLR 2011, 352) hat die Beklagte zur Unterlassung und Zahlung der Abmahnkosten verurteilt, weil der Verkehr annehme, der Verzehr des Früchtequarks weise ähnliche Vorteile und keine anderen Nachteile für die Ernährung auf wie ein Glas Milch. Andere Nachteile würden sich jedoch aus der größeren Zuckermenge in dem Produkt der Beklagten ergeben. Mit der vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage.
§ 4 UWG – Beispiele unlauterer geschäftlicher Handlungen
Unlauter handelt insbesondere, wer 1.geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, die Entscheidungsfreiheit der Verbraucher oder sonstiger Marktteilnehmer durch Ausübung von Druck, in menschenverachtender Weise oder durch sonstigen unangemessenen unsachlichen Einfluss zu beeinträchtigen;2.geschäftliche Handlungen vornimmt, die geeignet sind, geistige oder körperliche Gebrechen, das Alter, die geschäftliche Unerfahrenheit, die Leichtgläubigkeit, die Angst oder die Zwangslage von Verbrauchern auszunutzen;3.den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert;4.bei Verkaufsförderungsmaßnahmen wie Preisnachlässen, Zugaben oder Geschenken die Bedingungen für ihre Inanspruchnahme nicht klar und eindeutig angibt;5.bei Preisausschreiben oder Gewinnspielen mit Werbecharakter die Teilnahmebedingungen nicht klar und eindeutig angibt;6.die Teilnahme von Verbrauchern an einem Preisausschreiben oder Gewinnspiel von dem Erwerb einer Ware oder der Inanspruchnahme einer Dienstleistung abhängig macht, es sei denn, das Preisausschreiben oder Gewinnspiel ist naturgemäß mit der Ware oder der Dienstleistung verbunden;7.die Kennzeichen, Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönlichen oder geschäftlichen Verhältnisse eines Mitbewerbers herabsetzt oder verunglimpft;8.über die Waren, Dienstleistungen oder das Unternehmen eines Mitbewerbers oder über den Unternehmer oder ein Mitglied der Unternehmensleitung Tatsachen behauptet oder verbreitet, die geeignet sind, den Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Unternehmers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind; handelt es sich um vertrauliche Mitteilungen und hat der Mitteilende oder der Empfänger der Mitteilung an ihr ein berechtigtes Interesse, so ist die Handlung nur dann unlauter, wenn die Tatsachen der Wahrheit zuwider behauptet oder verbreitet wurden;9.Waren oder Dienstleistungen anbietet, die eine Nachahmung der Waren oder Dienstleistungen eines Mitbewerbers sind, wenn er a)eine vermeidbare Täuschung der Abnehmer über die betriebliche Herkunft herbeiführt,b)die Wertschätzung der nachgeahmten Ware oder Dienstleistung unangemessen ausnutzt oder beeinträchtigt oderc)die für die Nachahmung erforderlichen Kenntnisse oder Unterlagen unredlich erlangt hat;10.Mitbewerber gezielt behindert;11.einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.
Art. 9 und 10 Health-Claim-Verordnung:
9) Es gibt eine Vielzahl von Nährstoffen und anderen Substanzen — unter anderem Vitamine, Mineralstoffe einschließlich Spurenelementen, Aminosäuren, essenzielle Fettsäuren, Ballaststoffe, verschiedene Pflanzen- und Kräuterextrakte und andere — mit ernährungsbezogener oder physiologischer Wirkung, die in Lebensmitteln vorhanden und Gegenstand entsprechender Angaben sein können.
Daher sollten allgemeine Grundsätze für alle Angaben über Lebensmittel festgesetzt werden, um ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten, dem Verbraucher
die notwendigen Informationen für eine sachkundige Entscheidung zu liefern und gleiche Wettbewerbsbedingungen für die Lebensmittelindustrie zu schaffen.
(10) Lebensmittel, die mit entsprechenden Angaben beworben werden, können vom Verbraucher als Produkte wahrgenommen werden, die gegenüber ähnlichen oder anderen Produkten, denen solche Nährstoffe oder andere Stoffe nicht zugesetzt sind, einen nährwertbezogenen, physiologischen oder anderweitigen gesundheitlichen Vorteil bieten. Dies kann den Verbraucher zu Entscheidungen veranlassen, die die Gesamtaufnahme einzelner Nährstoffe oder anderer Substanzen unmittelbar in einer Weise beeinflussen, die den einschlägigen wissenschaftlichen Empfehlungen widersprechen könnte. Um diesem potenziellen unerwünschten Effekt entgegenzuwirken, wird es für angemessen erachtet, gewisse Einschränkungen für Produkte, die solche Angaben tragen, festzulegen. In diesem Zusammenhang sind Faktoren wie das Vorhandensein von bestimmten Substanzen in einem Produkt oder das Nährwertprofil eines Produkts ein geeignetes Kriterium für die Entscheidung, ob das Produkt Angaben tragen darf. Die Verwendung solcher Kriterien auf nationaler Ebene ist zwar für den Zweck gerechtfertigt, dem Verbraucher sachkundige Entscheidungen über seine Ernährung zu ermöglichen, könnte jedoch zu Behinderungen des innergemeinschaftlichen Handels führen und sollte daher auf Gemeinschaftsebene harmonisiert werden. Gesundheitsbezogene Information und Kommunikation zur Unterstützung von Botschaften der nationalen Behörden oder der Gemeinschaft über die Gefahren des Alkoholmissbrauchs sollten nicht von dieser Verordnung erfasst werden.
§ 11 LFBG (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände und Futtermittelgesetzt) – Vorschriften zum Schutz vor Täuschung
(1) Es ist verboten, Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, wenn 1.bei einem Lebensmittel zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über Eigenschaften, insbesondere über Art, Beschaffenheit, Zusammensetzung, Menge, Haltbarkeit, Ursprung, Herkunft oder Art der Herstellung oder Gewinnung verwendet werden,2.einem Lebensmittel Wirkungen beigelegt werden, die ihm nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind,3.zu verstehen gegeben wird, dass ein Lebensmittel besondere Eigenschaften hat, obwohl alle vergleichbaren Lebensmittel dieselben Eigenschaften haben,4.einem Lebensmittel der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird.
….
Der Bundesgerichtshof hat durch Beschluss vom 12. Juli 2012 folgenden Tenor für die EuGH-Vorlage verkündet:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union wird zur Auslegung der Art. 10 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 5, Art. 29 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über nährwertund gesundheits-bezogene Angaben über Lebensmittel (ABl. Nr. L 404 vom 30. Dezember 2006, S. 9) in der zuletzt durch die Verordnung (EU) Nr. 116/2010 der Kommission vom 9. Februar 2010 (ABl. Nr. L 37 vom 10. Februar 2010, S. 16) geänderten Fassung fol-gende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Mussten die Hinweispflichten nach Art. 10 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 bereits im Jahre 2010 befolgt werden?
Quelle: Pressestelle des Bundesgerichtshofs, Pressemitteilung Nr. 13/2014 vom 24.01.2014